Vorbei ist sie, die Zeit der Narren, Funkenmariechen und süßen Kamelle. Zwischen November und Aschermittwoch verbringe ich mein Dasein ausschließlich in ausgelassener, unaufhörlicher Lebensfreude und falle nach dem Karneval stets in tiefe Depressionen. Na gut, diesmal hält sich die Trauer ein wenig in Grenzen, denn ein einschneidendes Erlebnis am Rosenmontag hätte mich doch beinahe vom richtigen Weg abgebracht. Tatort ist, wie sollte es anders sein, die Hochburg des Karnevals, Köln. Kurz vor 11 Uhr, die Stimmung ist heiter bis alkoholisiert, da passiert es. Vor mir steht ein Engel in hochhackigen Slingpumps, einem blauen Paillettenkleid und Lockenpracht wie Tina Turner in den 80ern. Unsere Blicke treffen sich und in mir steigt ein wohlig warmes, zufriedenes Gefühl. Mein Herz schlägt schneller – ich glaube ich bin verliebt. Oh mein Gott, in eine Frau!

Zum Narren gehalten

Ich bin verzaubert von ihrer Sinnlichkeit, der 90-60-90-Figur und ihrem strahlenden Lächeln. Nachdem wir uns nun gefühlte 60 Sekunden angestarrt haben, kommt sie näher. Ich bekomme einen Wangenkuss und werde knallhart auf den Boden der Tatsachen runtergeholt. Mir wird bewusst, dass ich mich nicht nur in der Hochburg des Karnevals befinde, sondern auch in der geheimen Hauptstadt der Schwulen und Lesben. Zudem riecht es nach Jean Paul Gaultier und ich muss feststellen, dass meine Prinzessin echte “Arbeiterhände” hat. Ich wurde zum Narren gehalten, nicht nur von Robert, wie sich später herausstellte, sondern auch von meinen eigenen Augen. Zusammen frönen wir anschließend dem Alkohol und ich stelle fest, dass mit mir doch alles in Ordnung ist. Auch bin ich wahnsinnig erleichtert, dass ich mich nun nicht durch ein Coming Out als Hetero quälen muss. Als Erinnerung an ihn bleibt mir nur ein roter Lippenstiftfleck am Hemdkragen.

Mein Aprilscherz

Nach meiner Begegnung mit “Roberta” stellte ich mir die Frage, was wohl meine lieben Mitmenschen dazu sagen würden, wenn ich tatsächlich nicht mehr schwul wäre. Also habe ich mir einen drolligen Aprilscherz ausgedacht. Bei meinen Verwandten und Bekannten werde ich mich am 1. April als wieder hetero outen und eine Familienplanung für dieses Jahr ankündigen. Damit dies alles Hand und Fuß hat, wird eine eingeweihte Freundin in ihrem Kreis verbreiten, dass sie einen schwulen Mann rückbesonnen habe, um mit ihm die erwähnte Familie zu gründen. Ich bin auf die Gesichter gespannt. Vielleicht schmücke ich das Ganze noch mit einem modischen Accessoires, wie einem Ring am richtigen Finger, aus. Damit Euch ähnliches wie mir in Köln nicht auch passiert, seid für den 9. April vorgewarnt. Im BOYS´n`BEATS erlebt Ihr dann Tatjana Taft live. Die beliebte Dragqueen ist bekannt für ihre aufwändigen Verwandlungen und große Showacts. Wer genau hinter der “Sahnebesaier-Braut” steckt werden wir wohl nicht erfahren, aber gegen einen Lippenstiftfleck hat sicher niemand etwas einzuwenden.

Euer Micha

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